Es verfolgt uns, wohin wir auch schauen. Keine Nachrichten, keine Tageszeitung ohne die Nennung des Wortes: »Fachkräftemangel«. Google benötigt 0,29 Sekunden, um mir ungefähr 11,2 Mio. Treffer nach Eingabe des Begriffs aufzuzeigen. Kaum ein Unternehmen, das nicht stöhnt, weil die passenden Leute fehlen. Während der Pandemie musste Corona als Entschuldigung für alles herhalten, was nicht pünktlich und einwandfrei gefertigt oder geleistet werden konnte. Mittlerweile scheint es, als würde der Verweis auf die ausgedünnte Belegschaft als Vorwand für jedweden Mangel herangezogen. Nicht jede Sparte und nicht jeder Arbeitsbereich kann sich über das Ausbleiben von Bewerbungszuschriften beschweren. Doch in vielen Sparten führt der Vollbeschäftigungsmarkt dazu, dass es zu wenige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für all die offenen Stellen gibt.
Jobnomaden versus
Alles Müller – oder was?
Während ich diese Zeilen schreibe, ist gerade Winterpause in der Fußball-Bundesliga. Für all diejenigen, die unter »Ich interessiere mich für Sport« tatsächlich die eigene Bewegung und sportliche Betätigung verstehen und nicht ganz so vertraut sind mit der angeblich schönsten Nebensache der Welt, sei erklärt, was es mit diesen Wochen zu Beginn eines neuen Jahres auf sich hat. In dieser Zeit öffnet das Wintertransferfenster und alle Vereine stellen ihre Mannschaften neu auf. Da wird Verstärkung für schwach besetzte Positionen gesucht und Spielern, die nicht zum Fußballkonzept des Vereins passen wollen, werden alternative Einsatzmöglichkeiten bei anderen Vereinen oder in anderen Ligen empfohlen. In der Sportbranche ist es absolut üblich, dass Teams zum Winter und erst recht in der Sommerpause ordentlich durchgemischt werden. Wenn man nicht gerade Thomas Müller heißt, wechselt man den Arbeitgeber gefühlt alle zwei Jahre.
Im Fußball-Umfeld scheint es einen Vollbeschäftigungsmarkt zu geben. Für die zu besetzenden Positionen gibt es eine endliche Anzahl an talentierten Spielern. So fällt es Headhuntern, im Sportkontext ist von Spielerberatern die Rede, in der Regel nicht schwer, für den Mandanten einen neuen Arbeitgeber zu finden, der bereit ist, einen ordentlichen Prozentsatz auf das aktuelle Gehalt hinzuzupacken. Im Profi-Bereich können wir beobachten, wie sich ein Markt in der Vollbeschäftigung verhält. Vielleicht taugt dieses Beispiel, um den Bogen zu der uns bekannten Arbeitswelt zu spannen. Wenn die Baby-Boomer sich in den nächsten Jahren vom Arbeitsmarkt Stück für Stück verabschieden, wird sich die Situation, die sich aktuell bereits abzeichnet, stetig verschärfen. Die Top-Talente können sich dann eine Standleitung für die Headhunter freihalten, die sie regelmäßig mit neuen Angeboten versorgen werden. Und nicht nur die High Potentials, die sich durch ein exzellentes Fachwissen und Kompetenzen auszeichnen, werden dann von Unternehmen eingeladen.
Die menschliche Arbeitskraft wird zu dem, was das Toilettenpapier
während Corona war: knapp und begehrt. Bild: @ Pixabay
Obstkorb gegen den Fachkräftemangel?
Angebote wie Job-Räder oder Obstkörbe geben nicht den Ausschlag, wo unterschrieben wird. Bei diesen »weichen« Faktoren geben sich die Arbeitgeber nicht viel. Wenn sich die Tätigkeiten und das Umfeld nicht groß unterscheiden, wird allein die Summe entscheiden, die monatlich auf das eigene Konto fließt. Denn spannende Projekte können sich die Leistungsträger ohnehin aussuchen.
Möglicherweise werden wir uns daran gewöhnen, dass ein großer Teil der Belegschaft für ein gezieltes Projekt für ein, zwei oder drei Jahre bei einem Arbeitgeber unterschreibt. Anschließend geht es weiter zum nächsten spannenden Unterfangen. Ob sich diese Job-Nomaden vom Weiterziehen abhalten lassen? Wie gesagt, die kostenlosen Getränke oder die Möglichkeit des Homeoffice werden nicht den Ausschlag geben. Das wird vorausgesetzt.
Andere Faktoren könnten hier den Ausschlag geben. Ein Betriebskindergarten oder ein schulisches Angebot. Seinen Kindern möchte man vermutlich eher nicht zumuten, im Jahresrhythmus neue Freunde und Lernumgebungen zu finden. Oder weitergedacht, wie wäre es mit einer Betreuungsmöglichkeit für die Eltern der Arbeitgeber? In einer Gesellschaft, die ständig älter wird, könnte es für die Arbeitnehmenden eine große Entlastung sein, wenn die Versorgung der älteren Familienmitglieder vom Arbeitgeber unterstützt, wenn nicht sogar organisiert wird. Neue Zeiten lassen hier neue Wege möglich erscheinen. Sowieso sollten wir nicht vergessen, dass es für fast jede Herausforderung mehrere Lösungsansätze gibt. Arbeitgeber dürfen also ihrer Kreativität freien Raum lassen und sich Gedanken machen, mit welchen Angeboten sie Alleinstellungsmerkmale erzeugen können, die die Wechselbereiten zum Verweilen motivieren.
Moment, werden Sie nun möglicherweise sagen. Haben wir nicht jede Menge schöne, neue Technologien, die bereits in den Startlöchern stehen oder diese bereits verlassen haben? Wird uns die künstliche Intelligenz nicht entlasten und sich der Fachkräftemangel dadurch entschärfen? Es ist davon auszugehen, dass Anwendungen wie ChatGPT einen Teil der jetzigen Arbeitsroutinen übernehmen können. Nicht nur standardisierte Abläufe werden von der KI erledigt, auch Expertenwissen wird uns so bereitgestellt. Die Datenmenge, auf die KI zurückgreifen kann, wird exponentiell wachsen und die Ergebnisse, die sie erzielt, werden passgenauer und umfassender. Auf uns wird dies Auswirkungen haben. Wenn ein System auf unsere personalisierten Daten zurückgreifen kann, wird es individuelle Lösungen für unsere Bedürfnisse erstellen. Wahrscheinlich irgendwann bessere, als es ein humaner Verkäufer könnte. Sprachcomputer können bereits heute über unsere Stimme Rückschlüsse auf unsere Emotionen ziehen. Benötigen wir dann noch menschliche Berater, wenn die KI doch die passenderen Empfehlungen geben kann? Die Vorstellung kann Angst machen. Sind wir dann nicht mehr weit von der Science-Fiction entfernt, in der die Computer die Weltherrschaft übernehmen?
Nicht perfekt zu sein, könnte die wahre Größe der Menschen sein.
KI, so wie wir sie heute verstehen, ist Mathematik. Hochleistungsrechner verarbeiten Datenmengen und können im Ergebnis intelligentes Verhalten simulieren. Die Datenmengen müssen jedoch gewaltig sein. Ganz anders verläuft das menschliche Denken. Wir haben überhaupt nicht die Zeit und die Ressource, auf riesige Datenmengen zurückzugreifen. Glücklicherweise müssen wir das auch nicht. Es wäre äußerst tragisch, wenn wir erst hundert Mal eine Begegnung mit dem Säbelzahntiger erleben müssten, um zu verstehen, dass er uns gefährlich werden kann.
Machen Sie den Selbsttest: Wenn Sie einem Tiger von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und das in Ihrem Kopf vorgeht, sind Sie mit 100%iger Wahrscheinlichkeit eine KI. Bild: @ Pixabay
Unserem Gehirn genügen wesentlich weniger Impulse, um zu lernen. Schon als meine Kinder klein waren, haben wir uns vorrangig mit dem Fahrrad bewegt. Dennoch hat mich mein Sohn erstaunt, der sämtliche Automarken treffsicher den uns begegnenden Fahrzeugen zuordnen konnte. Dazu mussten wir nicht unzählige Bilder der unterschiedlichen Modelle studieren. Das hatte er viel schneller raus. Mittlerweile besitzen meine Kinder längst ihren Führerschein. Und auch dafür mussten sie nicht zigtausende Kilometer mit dem Auto fahren, um die Regeln des Straßenverkehrs zu erlernen.
Wenn man mir früh genug Bescheid sagt, bin ich auch spontan.
KI funktioniert anders. Der künstlichen Intelligenz muss man sehr früh sehr viel Bescheid geben, damit sie später vermeintlich spontan reagieren kann. Hier verarbeiten Algorithmen die zur Verfügung gestellte »Big Data«. Im Verkehr kommt es ständig zu individuellen Einzelfällen. Beinahe-Zusammenstöße, regelwidriges Verhalten, unberech-enbare Situationen.Fahrassistenz-Systeme können unterstützen. Das tun sie bereits und diese Funktionen werden voraussichtlich immer besser.
Obwohl ich es mir sehr wünsche: Meine Vorstellung, es mir im Fond bequem zu machen und bei Musik und einem Glas Wein von einem autonomen Fahrzeug Richtung Ziel kutschiertzu werden, halten Experten auf absehbare Zeit für nicht durchführbar. Auf begrenzten Flächen wird sich das realisieren lassen: auf Fabrikgeländen und Teststrecken. Dort, wo das System genau weiß, was zu erwarten ist und was auf das Fahrzeug zukommt. Im Stau auf der Autobahn dürfen sich Autos aktuell mit maximal 60 km/h fortbewegen und die Fahrer dürfen die Hände vom Lenkrad nehmen.
Möglicherweise werden autonom fahrende Busse zu unserem Straßenbild gehören. Die Fahrzeuge werden für den bestimmten Streckenabschnitt mit Unmengen von Daten gefüttert, um sich dort bewegen zu können. Überall dort, wo man die Verkehrsmittel mit großen Datenmengen füttern kann, können Assistenzsysteme zum Einsatz kommen. Wir Menschen benötigen mit unseren Gehirnen, die wesentlich weniger Energie verbrauchen, diese begrenzten Umgebungen nicht. Wir besitzen die Fähigkeit, uns auf völlig unbekanntem Terrain zurechtzufinden. Sicher, hinsichtlich der Rechenleistung werden es unsere Denkapparate nicht mit der Technik aufnehmen können. Ob wir deswegen Angst vor einem dystopischen Szenario haben müssen? Wir sind es doch bereits gewohnt, dass Maschinen uns in vielen Bereichen überlegen sind. Jedes Auto fährt schneller, als wir laufen können. Der Gabelstapler in unserer Produktion kann mehr Gewicht heben als unser stärkster Kollege. In Schockstarre versetzt uns das nicht.
Kann KI den Fachkräftemangel eindämmen?
Sicherlich werden die Einsatzmöglichkeiten wachsen. Das wird jedoch nicht dazu führen, dass wir »arbeitslos« werden. So, wie wir Intelligenz definieren, sind Selbstwahrnehmung, Fühlen und Bestrebungen unabdingbar damit verknüpft. Dieses Stadium werden mathematisch agierende Maschinen nicht erreichen können. Mag sein, dass Quantencomputer, die auf physikalischer Grundlage arbeiten, dazu einmal in der Lage sein werden. Noch finde ich es einen schönen Gedanken, dass wir Menschen, dank unserer natürlichen Fähigkeiten, dem Computer überlegen sind. Denn wir können träumen. Und auch das ist eine Art Zukunftsplanung!
Der Champions League Pokal in der Trophäensammlung der Frankfuter
Eintracht: Für alle Frankfurter ein Traum, für eine KI undenkbar 😊.
Bild: Von David Flores – https://commons.wikimedia.org
Selbst wenn wir Expertisen und Beratungen von einer künstlichen Intelligenz erhalten, fehlt noch jemand, der uns antreibt, die Erkenntnisse umzusetzen. Jemand, der uns auch mal in den sprichwörtlichen Popo tritt. Hier komme ich wieder auf die Fußballspieler zurück. Sportler nutzen einen ganzen Stab an Unterstützern: Fitness-Coaches, Mental-Coaches, Physiotherapeuten und vieles mehr. Hilfe anzunehmen, ist für Sportler selbstverständlich. Das können wir als Vorbild nehmen. Wir bei arago sind ohnehin überzeugt, dass das Segment der Aus- und Weiterbildung gerade im Erwachsenenbereich sehr stark wachsen wird. Ganz nach unserem Unternehmensleitbild »Wir machen die Welt klüger!« Also scheuen Sie sich nicht: In unserem Bereich unterstützen und helfen wir sehr gerne.
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