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AutorenbildKatrin Groß

Sind Sie entscheidungsfreudig? Ja, Nein, Vielleicht

Die Hirnforschung sagt, dass wir täglich bis zu 20.000 Entscheidungen zu treffen haben. Die meisten davon unbewusst. Unser Entscheidungsmarathon fängt morgens vor dem Kleiderschrank an und endet bei der Gestaltung des Abendprogramms. Hier werden falsche Entscheidungen möglicherweise in einer gewagten Farbzusammenstellung beim Outfit sichtbar. Doch wie sieht es in dem Zeitraum dazwischen aus? Wie werden Entscheidungen am Arbeitsplatz getroffen? Keine Führungskraft kann in der heutigen komplexen Arbeitswelt für sich beanspruchen, allumfassend über jedes Detail informiert zu sein. Dennoch liegt es an ihr, die Richtung vorzugeben. Wie kann das gut funktionieren? Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Prognosen eine sehr kurze Halbwertzeit bekommen haben. Wie sollen Ein-, Zwei- oder Fünf-Jahrespläne erstellt werden, wenn sich Rahmenbedingungen so rasant ändern? Das erfordert Mut: Mut zur Lücke und Mut zum Risiko.

WIR HABEN TÄGLICH BIS ZU 20.000 ENTSCHEIDUNGEN ZU TREFFEN.

Dass vorliegende Informationen nicht vollständig sind, dass es Lücken gibt, auch wenn umfangreich recherchiert wurde, lässt sich kaum vermeiden. Umso mehr darf die Frage gestellt werden, ob das Führungspersonal tatsächlich alle Entscheidungen alleine treffen muss. Manchmal kann es klug sein, im Kollektiv zu überlegen, auf das Wissen in allen Hierarchieebenen zurückzugreifen und gemeinsam zu bestimmen. Klar ist, dass das Management dafür steht (und auch dafür bezahlt wird), die Richtung anzuzeigen und Orientierung vorzugeben. Nicht alles kann im Plenum diskutiert werden. Und selbst wenn: Gehen wir davon aus, dass allen Beteiligten dieselbe Faktenlage bekannt ist. Nun sollte man annehmen, dass bei Vorliegen der Zahlen und Fakten alle zu einem gemeinsamen übereinstimmenden Ergebnis kommen. Wahrscheinlich haben Sie jedoch selbst oft genug die Erfahrung gemacht: dem ist bei weitem nicht so. Warum? Weil jeder einen eigenen Erfahrungsschatz, einen persönlichen Hintergrund mitbringt. So kann es sein, dass die Bewertung sowohl der Ausgangslage als auch der daraus abzuleitenden Konsequenzen unterschiedlich ausfällt. Und nicht immer ist es leicht, die eigene Einschätzung zu begründen. Aber wer kann sich hinstellen und sagen: »Wir sollten diesen Weg einschlagen, das sagt mir mein Bauch!« Wir erwarten plausible Begründungen, keine Gefühlsduselei. Schade eigentlich, denn eine gute Intuition ist ungemein wertvoll bei der Entschlussfindung. Nur lässt sich der Erfahrungsschatz, auf den wir unbewusst und instinktiv zurückgreifen, nicht immer in Worte fassen.


Im Kollektiv Entscheidungen zu treffen, kann klug sein. © rawpixel/ freepik.com

Demnach benötigen wir für die Entscheidungsfindung auch den Mut zum Risiko. Es gilt, Unsicherheiten zu verstehen und diese zu bewerten. Wer Verantwortung trägt, kann durchaus sagen: »Ja, mir ist bewusst, dass ich nicht den Anspruch erheben kann, jede Eventualität berücksichtigt zu haben. Dennoch, in Schockstarre zu verharren und nichts zu tun, ist keine Alternative. Daher ergreifen wir nun die folgenden Maßnahmen…« Doch was ist, wenn sich die Wahl als falsch herausstellt? Entscheidend ist, wie mit Fehlern im Unternehmen umgegangen wird. Reibt man sich erstaunt die Augen und ist völlig konsterniert? Dann wird ein Schuldiger ausgemacht, alle anderen ducken sich am besten schnell weg. Besonders konstruktiv ist dieses Vorgehen nicht. Vielleicht sollte man sich ein Beispiel an der Luftfahrt nehmen. Hier wird davon ausgegangen, dass Fehler passieren werden. Doch statt das Hauptaugenmerk auf den oder die Verantwortlichen zu richten, werden Informationen gesammelt. Wie konnte es dazu kommen? Die Gründe werden analysiert. Die Ursache wird kommuniziert, um alle für die Situation zu sensibilisieren und mögliche problematische Konsequenzen zukünftig zu vermeiden.


Ja, Entscheidungen ziehen Folgen nach sich. Darüber nachzudenken, was alles schief gehen kann, mag Sorgen bereiten. Die Ungewissheit kann sogar Angst machen. Die Hirnforschung sagt, wir empfänden Glück, wenn wir uns aus einer unbefriedigenden Situation mit eigener Kraftanstrengung befreit hätten. Das erfordert Vertrauen: Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten, in die Unterstützung von anderen und eine positive Grundeinstellung. Eigene Kompetenzen erreicht man jedoch nur, wenn man daran geht, Probleme anzupacken und daraus zu lernen. Unsere größten Ängste sind die Drachen, die unsere tiefsten Schätze bewahren, hat Rainer Maria Rilke gesagt. Es ist normal, Angst zu haben. Und unsere Befürchtungen können uns die Richtung weisen und Leitplanke sein. Sie dürfen jedoch nicht die Wortführer werden, oder, um bei der Luftfahrt zu bleiben: die Angst darf nicht in unserem Cockpit sitzen.

EIGENE KOMPETENZEN ERREICHT MAN NUR, WENN MAN DARAN GEHT, PROBLEME ANZUPACKEN UND DARAUS ZU LERNEN.

Die Monster unter unserem Bett, die auf unsere Urteile Einfluss nehmen möchten, symbolisieren vielleicht auch den Verzicht, den jede Entscheidung mit sich bringt. Denn wenn ich den linken Weg einschlage, verabschiede ich mich von den Möglichkeiten, die mir der rechte Weg geboten hätte. Und auf etwas verzichten zu müssen, fällt schwer. Dabei muss selbstverständlich nicht jedes Einschlagen einer Richtung für alle Zeiten festgeschrieben werden. Nichts hindert uns daran, Dinge zu überdenken und gegebenenfalls neu zu bewerten. Das mag nicht immer problemlos funktionieren. Der Umzug in eine neue Stadt, der Wechsel des Arbeitsplatzes oder eine nicht ideale Stellenbesetzung lassen sich nicht mit einem Handstreich rückgängig machen. Ein stures Festhalten an einer falschen Wahl bringt hingegen auch nichts und kann noch teurer werden.


Angenommen ein Betrieb hat für viel Geld eine Koryphäe eingestellt, die den Weg aus einer angespannten Lage finden soll. Bestimmt und guten Mutes legt sie los, das Team folgt, vielleicht mit Bedenken, aber im Vertrauen auf das Können der Fachkraft. In dieser Situation ist es nahezu unmöglich, dass die Person, die ja zur Rettung bestellt wurde, sich hinstellt und verkündet: »Hoppla, ich glaube, ich habe mich verirrt. Wir müssen umkehren und etwas anderes ausprobieren.« Dieses Eingeständnis wäre gleichbedeutend mit dem Ende der übertragenen Aufgabe. Bisher ist die Mannschaft gefolgt, auch wenn nicht jeder Schritt verständlich war. Der Glaube an die Fähigkeiten der Leitung, die den richtigen Weg weisen, wäre dann erschüttert und eine Absetzung nahezu unausweichlich. Wenn die Rahmenbedingungen so ausgestaltet sind, könnte der Kopf des Teams den Job nur behalten, wenn er ein »Weiter so!« als einzige Möglichkeit vorgibt. Auch wider besseres Wissen. Die Person muss weiterhin so tun, als wüsste sie Bescheid und hätte alles im Griff. Keine schöne Vorstellung.


Wie wäre es, wenn man demgegenüber eine Unternehmenskultur entwickeln könnte, die es jedem Entscheidungsträger erlaubt, einen Fehler zu machen. Jeder erhält eine Art »Freifahrtschein«, der es erlaubt, ohne gerupft zu werden, eine Fehlentscheidung einzugestehen. Beim Eintreten dieses Falles wird die Sache zur Kenntnis genommen, umfangreiche Rechtfertigungen sind nicht nötig. Gewagt, meinen Sie? Was da alles passieren könnte! Das soll nicht heißen, dass fortan jeder kopf- und planlos drauflos werkelt. Diese Atmosphäre könnte allerdings dazu beitragen, dass Dinge zwar überlegt, aber mit einem gewissen Risiko angegangen würden. Gewinn gibt es nun mal selten ohne das Eingehen von Risiken. Und müsste man sich nicht umgekehrt Gedanken machen, wenn Mitarbeitende ihren »Freifahrtschein« in Jahren nicht einlösen? Kann es nicht sein, dass hier etwas viel Schwerwiegenderes im Argen liegt?


Entscheidungen zu treffen bedeutet auch, sich vorerst von einem Weg zu verabschieden. © vectorjuice/ freepik.com

Veränderungen finden zunehmend disruptiv statt, Paradigmenwechsel sind an der Tagesordnung. Die Dinge aussitzen, funktioniert in der Regel nicht. Entscheidungen müssen getroffen werden. Und auch wenn Sie hoffentlich über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz verfügen und Ihrer Intuition vertrauen dürfen, das Einholen der Meinung von Spezialisten steht dem nicht entgegen. Unser Spezialgebiet dreht sich um die Vermittlung von Wissen. Wir freuen uns, wenn wir Sie bei Ihren Entscheidungen rund um dieses Thema unterstützen können.

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